06.09.2016 EPS/XPS - Ab Oktober wird es teuer

EPS/XPS - Ab Oktober wird es teuer

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Von unserem Kooperationspartner Natureplus: Das Flammschutzmittel HBCD, das vor allem in Polystyrol-Dämmplatten eingesetzt wurde, ist seit März 2016 verboten. Doch Ungemach droht von den vielen Millionen Kubikmetern HBCD-haltigem Dämmstoff, die in Deutschland schon verbaut wurden. 


Foto: Peuceta/Fotalia


Handelsverbot für HBCD

Für das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) gilt seit Frühjahr 2016 in der EU ein weitgehendes Handels- und Verwendungsverbot. HBCD war lange das wirtschaftlich wichtigste Flammschutzmittel für Polystyrol-Dämmstoffe – entsprechend gibt es für Dämmstoffe aus expandiertem oder extrudiertem Polystyrol (EPS/XPS) noch Übergangsregeln. Während die Industrie in Deutschland seit Ende 2014 HBCD weitgehend durch angeblich weniger problematische Flammschutzmittel ersetzt hat, drohen den Hausbesitzern in Deutschland nun erhebliche Kosten beim Umbau ihrer Gebäude und beim Ausbau HBCD-haltiger Dämmstoffe: Diese werden nämlich ab Oktober 2016 als "gefährliche Abfälle" eingestuft und sind nur aufwändig in Sondermüll-Verbrennungsanlagen oder dafür speziell zugelassenen Anlagen zu entsorgen. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes sind "erhebliche Entsorgungskosten" für die Hausbesitzer zu erwarten.

Wie wird HBCD rechtlich bewertet?

Das Handels- und Verwendungsverbot von HBCD ist auf die Stockholm Konvention zurückzuführen und wird in der Europäischen Union (EU) im Anhang I der POP-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 850/2004 über persistente organische Schadstoffe) umgesetzt. Seit dem 22. März 2016 dürfen Produkte mit einem Gehalt von mehr als 100 mg/kg HBCD in der EU nicht mehr hergestellt oder in Verkehr gebracht werden. Für Restbestände an Dämmstoffen galt abweichend, dass diese noch bis zum 22. Juni 2016 verkauft und verbaut werden durften. Nach Aussage des Industrieverbands Hartschaum (IVH) haben alle Mitglieder des Verbands bis Ende 2014 vollständig auf ein weniger bioverfügbares, polymeres Flammschutzmittel umgestellt und beliefern seither mehr als 80% des deutschen Marktes mit diesen HBCD-freien Dämmstoffen.

Nachdem das Bewertungsgremium der Stockholm-Konvention HBCD als POP bestätigt hatte, beschloss die 6. Konferenz der Vertragsstaaten bereits im Mai 2013, den Stoff in Anhang A (Stoffe zur Beseitigung) der Stockholm-Konvention aufzunehmen. Das bedeutet letztlich ein weltweites Verwendungs- und Handelsverbot für HBCD. Außerdem fordert das Übereinkommen für solche Stoffe umfassende Maßnahmen zur Beseitigung bestehender Lagerbestände sowie Abfallbehandlungsmaßnahmen, die die Zerstörung oder unumkehrbare Umwandlung der in Abfällen enthaltenen POPs sicherstellen.

Der Beschluss der Stockholm-Konvention zu HBCD ermöglichte allerdings eine fünfjährige Ausnahme für den Einsatz von HBCD als Flammschutzmittel in Dämmplatten für Gebäude. Hintergrund ist, dass die Hersteller flammgeschützter Dämmstoffe aus Polystyrol bei Bedarf genügend Zeit zur Umstellung ihrer Herstellungsprozesse erhalten sollten. Allerdings muss HBCD-haltiges Polystyrol gemäß dem Beschluss der 6. Vertragsstaatenkonferenz gekennzeichnet werden, so dass es über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg erkennbar ist. Recycling wurde für HBCD-haltige Erzeugnisse ausgeschlossen.

Welche negativen Eigenschaften hat HBCD für Umwelt und Gesundheit?

HBCD hat vier problematische Eigenschaften in der Umwelt. Es ist giftig, vor allem für Gewässerorganismen wie Krebstiere und Algen. Der Stoff ist zudem persistent, das heißt langlebig, weil er in der Umwelt schlecht abgebaut werden kann. Er wird z.B. in über 10 Jahre alten Sedimentschichten gefunden. Auch wenn die Gehalte mit zunehmender Entfernung zu Verursachern abnehmen, wird HBCD in nahezu allen Umweltproben gefunden, auch in Proben aus ländlichen und sehr abgelegenen Gegenden, ebenso wie in der Luft. HBCD reichert sich in Lebewesen an, in Fischen, Meeressäugern und Raubvögeln arktischer Regionen kann man heute schon HBCD nachweisen. Dass der Stoff sich über solche Entfernungen verbreitet, belegt zudem das „Ferntransportpotenzial“ des Stoffes – die vierte negative Eigenschaft, die HBCD für die Umwelt so gefährlich macht. Wegen dieser Eigenschaften wird HBCD als „besonders besorgniserregender Stoff“ nach den Kriterien der Europäischen Chemikalienverordnung REACH und als persistenter organischer Schadstoff unter der internationalen Stockholm-Konvention geführt. HBCD hat auch das Potenzial, die Gesundheit zu schädigen. In Tierversuchen wurde gezeigt, dass die Embryonal- und Säuglingsentwicklung gestört wird. Die beobachteten Effekte betrafen die Entwicklung des Nervensystems und das Verhalten. Deswegen wird HBCD EU-weit nach der CLP-Verordnung mit den Gefahrenhinweisen H361 „Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder das Kind im Mutterleib schädigen“ und H362 „Kann Säuglinge über die Muttermilch schädigen“ versehen.

Wie werden HBCD-haltige Abfälle rechtlich eingestuft?

Nach der POP-Verordnung Art. 7 (2) müssen Abfälle, die persistente organische Schadstoffe („POPs“) enthalten, so verwertet oder beseitigt werden, „dass die darin enthaltenen persistenten organischen Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden“. Abfall gilt dann als „POP-haltig“, wenn dessen POP-Gehalt größer oder gleich einer bestimmten Grenzwertkonzentration im Anhang IV der POP-Verordnung ist. Der für HBCD festgelegte Grenzwert von 1.000 mg/kg wird am 30. September 2016 rechtswirksam. Die neue Einstufung betrifft vor allem Polystyrol-Dämmstoffe, die mit HBCD als Flammschutzmittel ausgerüstet sind. Expandiertes Polystyrol (EPS) enthält in der Regel 0,7 % und extrudiertes Polystyrol (XPS) ca. 1,5 % HBCD. Da der Grenzwert für die Einstufung als gefährlicher Abfall bei 1.000 ppm (0,1 %) liegt, gelten diese Abfälle ab 30. September 2016 als gefährlich und nachweispflichtig und dürfen nur noch in Abfallverbrennungsanlagen behandelt werden, die über eine entsprechende Zulassung verfügen. Der Begriff „gefährlich“ meint in diesem Zusammenhang, dass die Behandlung des Abfalls gesondert zu erfolgen hat und mit entsprechenden Nachweisen belegt werden muss.

Wie kann ein Verbraucher erkennen, ob ein Dämmstoff aus Polystyrol HBCD enthält?

Da HBCD nach dem Europäischen Chemikalienrecht bereits seit 2008 als besonders besorgniserregender Stoff unter der REACH-Verordnung identifiziert ist, muss der Hersteller und auch der Händler über die Verwendung des Stoffes in allen Erzeugnissen Auskunft geben. Über ein Online-Formular des Umweltbundesamtes kann man den Hersteller, Händler oder Importeur anfragen, ob HBCD als Flammschutzmittel eingesetzt wurde. Zudem muss auch nach der Bauproduktenverordnung seit 2011 die Information mit der Leistungserklärung zum CE-Zeichen den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern bereit gestellt werden. Für alle früher eingesetzten Polystyrol-Dämmplatten muss man allerdings davon ausgehen, dass sie HBCD enthalten.

In der angefügten Broschüre des Umweltbundesamtes werden noch weitere Erläuterungen gegeben.

Hier zur Broschüre